Wenn deine Kleidung sprechen könnte

Wenn deine Kleidung sprechen könnte

Kleidung

Immer wenn ich in der Stadt zu tun habe, mache ich gerne noch einen Abstecher in unser Medienhaus, schmökere in Neuerwerbungen, lass mich verlocken, etwas auszuleihen, und das nicht nur fachbezogen oder aus dem kreativen Bereich, sondern auch zu aktuellen Themen.  Ich sitze oben in den bequemen Sesseln hinter den großen Scheiben und genieße den Ausblick auf den See. Was für eine erholsame Pause!

Dieses Mal stieß ich auf das Buch von Orsola de Castro, Geliebte Sachen. Warum nachhaltige Kleidung uns glücklicher macht. Dem Titel nach hatte ich vor allem Anregungen zum Upcycling erwartet, also zum Wiederverwenden von Kleidung bzw. Kleiderstoffen, doch die Autorin läßt tief eintauchen in die Problematik unserer Haltung zu Kleidung.

Im Folgenden möchte ich nur einige Schwerpunkte zitieren:

  • Die Modebranche ist eine der sozial ausbeuterischsten und ressourcenverschmutzenden Industrien der Welt.
  • Die Kleiderproduktion hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Dennoch tragen wir unsere Kleidung immer weniger, vergessen sie im hinteren Teil unseres Kleiderschrankes oder entsorgen sie, ohne an die Folgen zu denken. Jährlich werden 53 Millionen Tonnen Textilien produziert, 75 % davon werden weggeworfen.
  • Wir haben verlernt, Dinge zu reparieren und Kleidung zu flicken, oder wir tun es nicht, weil wir sie billig erworben haben und es sich in unseren Augen nicht lohnt, sie zu erhalten.
  • Gekaufte Kleidung wird heute sehr viel schneller abgenutzt. Die Fasern sind weniger strapazierfähig. Wir waschen sie oft schon nach einmaligem Tragen und überlassen die Fleckentfernung der chemischen Reinigung, da wir alte Hausmittel nicht mehr kennen.
  • Abgenutzt erscheinende Jeans mit Rissen und Löchern sind groß in Mode. Wir vergessen, dass sie mit Verfahren behandelt wurden, die große gesundheitliche Probleme bei denen verursachen, die sie herstellen müssen.
  • Wir achten Kleidung nicht, weil wir die Lebensumstände einer Bekleidungsarbeiterin nicht kennen, wissen nichts von den extrem langen Arbeitszeiten, von den Sechs-Tage-Wochen, den heißen und beengten Arbeitsbedingungen mit schlechter Luft, den niedrigen Löhnen und den häufigen Wir hören zwar von den fatalen Gebäudeeinstürzen mit Hunderten von Toten, doch dann  geht unser Tag weiter.
  • Zu einzelnen Stoffsorten widmet Orsela de Castro ein umfangreiches Kapitel. Denn während früher Stoffe reine Wolle, Baumwolle oder Leinen waren, werden heute immer noch andere Fasern beigemischt: Elastan, Polyester, Acryl usw. Die Folge davon ist, dass solche Mischgewebe sehr lange brauchen, bis sie verrottet sind. Ein Leinenhemd braucht zwei Wochen, ein Polyesterkleid mindestens 200 Jahre.

Welche Konsequenzen sollten wir aus diesem Wissen ziehen?

  • Keine Schnäppchen und kein Überfüllen des Kleiderschrankes
  • Auf die Herkunft der Kleidung achten
  • Bei Baumwolle möglichst Bio kaufen, denn dann wurden die Böden nicht geschädigt
  • Nur gute Kleidung erwerben, die lange hält (dann ist sie den Preis wert)
  • Die richtige Pflege anwenden
  • Lernen zu reparieren und zu flicken oder jemanden finden, der da kann

Wozu ich mich habe anregen lassen:

Auf meinem schönen, flauschigen Wollpullover entdeckte ich drei kleine Flecken. Den kannst du nicht mehr anziehen, dachte ich. Doch dann erinnerte ich mich an meine früheren Stickkünste, verdeckte die Flecken mit gestickten Blumen und dadurch ist er jetzt sogar zu einem individuellen Kleidungsstück geworden.

*Dörlemann Verlag Zürich 2023

Quellen der Inspiration

Quellen der Inspiration

Ganz gleich, ob du ein Konzept entwickeln, ein Problem lösen, eine Entscheidung treffen oder dich kreativ ausleben möchtest: Du brauchst Inspiration und Ideen. Manches Mal fliegen uns Ideen ungefragt einfach zu. Das ist super. Halt sie fest, schreib‘ sie auf, denn die meisten Impulse kommen nur einmal vorbei.  Doch in dem Moment, wenn wir dringend eine Idee brauchen, lässt uns die Inspiration im Stich. Deshalb möchte ich dir hier mögliche Quellen der Inspiration vorstellen.

Die Grundlage

Bücher, Videos, Gespräche mit anderen können uns neue Sichtweisen vermitteln und wir erfahren, welche Wege, anderen weitergeholfen haben. Wir lernen dazu und können deren Anstöße zum Samen eigenen Tuns werden lassen.

Für mich waren die Bücher von Julia Cameron eine wahre Fundgrube. Sie hat mir nicht nur die Augen geöffnet, das eigene Leben zu gestalten, sie war für mich auch die Geburtshelferin eigenen Schreibens. Ihre Bücher sind seit mehr als 25 Jahren auf dem Markt und begeistern noch immer Millionen Leser.

Mit ihrem Buch „Es ist nie zu spät neu anzufangen. Der Weg des Künstlers an 60“ will sie Menschen in diesem Alter anregen und begleiten, den kommenden Lebensabschnitt erfüllend zu gestalten, also zum Lebenskünstler zu werden.

Die innere Quelle der Inspiration

Wir tragen schon so viel  in uns, doch oft wird das durch die Menge an Außenreizen verdeckt. Die Morgenseiten, wie Julia Cameron sie beschreibt, helfen uns, dieses Potenzial wieder hervorzuholen, unsere innere Quelle zu nutzen. Ich selbst wende diese Methode an, auch etliche meiner Coachingklienten ziehen großen Nutzen daraus.

Morgenseiten

Morgenseiten heißen Morgenseiten, weil sie gleich morgens nach dem Aufwachen, wenn also unser Geist noch nicht so aktiv ist, geschrieben werden. Es geht darum, ganz spontan, ohne Anspruch Originalität, Rechtschreibung oder Grammatik zu notieren, was „geschrieben werden will.“ Wenn du ins Stocken kommst, kann da auch stehen: „Ich höre die Müllabfuhr draußen“ …oder „Meine Nase juckt”… oder „Blöde Übung, warum mache ich die bloß?“ Schreib dennoch weiter. Denn unerwartet werden Impulse aufpoppen, die es wert sind, festgehalten zu werden. Schreib, bis drei Seiten gefüllt sind. Es ist oft gar nicht nötig, diese noch einmal zu lesen. Du hast etwas aufs Papier gebracht, was in dir arbeiten und dich weiterbringen wird.

Das Gehen als Inspiration

Der Spaziergang gehört nicht nur für Julia Cameron zu einer Quelle der Inspiration, er wird auch als Achtsamkeitsübung geschätzt und vermittelt. Geh täglich raus  und wenn es nur eine halbe Stunde ist. Geh alleine, denn nur dann wirst du dein Umfeld, die Natur mit allen Sinnen aufnehmen können: Die Sonne auf der Haut, den Wind, das Gezwitscher der Vögel. Atme ein: Was riechst du? Fühle ein Blatt, eine Rinde. Beobachte mit wachen Augen deine Umgebung. Wahrscheinlich nimmst du erstaunt Dinge wahr, die dir noch nie aufgefallen sind, die aber schon immer da waren.

Eine andere Version des Spaziergangs ist die Ideensuche beim Gehen. Nimm eine Frage mit und lass dich überraschen, was dir unterwegs so einfällt. Bewegung bringt deinen Geist in Fluss, nicht das Sitzen am Schreibtisch. Wichtiger Tipp: Notiere deine Einfälle unterwegs oder sprich sie aufs Handy. Sie könnten sich sonst verflüchtigen, bevor du zu Hauseangekommen bist.

Andere Menschen  als Inspiration

Die dritte Quelle, die Julia  Cameron vorschlägt, nennt sie „Den inneren Künstler ausführen“. Natürlich tragen wir, wie oben beschrieben, eine Fülle an Wissen und Erfahrung in uns. Doch um wirklich kreativ zu sein, braucht unser Geist neues Futter, Anregungen von außen, die wir dann mit unserem eigenen Potenzial zu Neuem verbinden können.

Den inneren Künstler ausführen meint, an Orte zu gehen, an denen wir noch nie waren, mit Menschen zu sprechen, die wir nicht kennen, uns mit Themen beschäftigen, die ganz außerhalb unserer bisherigen Interessen  liegen.

Wohin gehst du?

Geh in ein Geschäft mit Orientteppichen, allerdings nicht um einen zu kaufen. Sprich mit dem Verkäufer: Wo kommen die Teppiche her? Wir werden sie hergestellt? Was bedeuten die Muster? Wie wird die Wolle gefärbt? Stell deine Fragen und sauge dieses neue Wissen auf. Du könntest auch mit einer Verkäuferin am Markstand sprechen. Sie fragen, welche Sorten sie verkauft, ob Kunden immer wieder neu wollen, auf was man beim Verarbeiten und Lagern achten sollte. Dir fällt bestimmt noch mehr ein.

Mein innerer Künstler will immer wieder etwas Neues ausprobieren. So habe ich mich vor Jahren entschieden, einmal (:-)) einem Volleyballspiel unserer hiesigen Mannschaft zuzuschauen. Das hat mir so großen Spaß gemacht, dass ich zum begeisterten Fan wurde.

Wenn du nicht alle Quellen nutzen und anzapfen willst, weil du denkst, dein Tag ist zu voll, dann wähle wenigstens eine aus. Und fang an. Du wirst es nicht bereuen.

Literaturtipps:

Julia Cameron, Es ist nie zu spät neu anzufangen. Der Weg des Künstlers an 60

Dich interessiert mein Lebensweg? Du erfährst, wie erfüllend ich mein Leben mit den drei Kindern empfand und dennoch dann den Sprung ins die Selbständigkeit wagte und wie die Menge an Aufgaben meine Kreativität fast zum Versiegen brachte. Möglicherweise findest du in diesem Buch auch Inspiration für dich:

Ursula Kraemer, Nimm dein Leben in die Hand

Auch eine Quelle der Inspiration: Nimm dein Leben in die Hand

 

 

 

 

 

 

Foto oben: Erich Westendarp, Pixabay
Volle Flughäfen, leere Kassen – Urlaub einmal anders

Volle Flughäfen, leere Kassen – Urlaub einmal anders

Reisen KofferDu hast keine Lust, in den Urlaub zu starten, weil dich die Bilder von vollen Flughäfen und herrenlosen Koffern in Ankunftshallen schrecken, von Zügen, die ausfallen oder von Berichte von Naturkatastrophen und Ähnlichem?  Oder hält dich eher der Druck, sparen zu müssen, ab,  eine Urlaubsreise zu buchen? Hier bekommst du Ideen, wie dein Urlaub dennoch erholsam und erlebnisreich wird.

Die richtige Einstellung

Kein Problem, wenn du dich um die richtige Einstellung kümmerst und du Ideen hast, die Urlaubstage auch zu Hause abwechslungsreich und erholsam zu gestalten. So lange du dir ständig einredest und anderen  immer wieder davon erzählst, dass du dir die Reise nicht machen wirst, kannst, weil die Bedingungen unannehmbar sind, weil du sie dir nicht leisten kannst, so lange bleibt das ungute Gefühl. Das Gefühl, das dir signalisiert, du bist im Nachteil, du bist ausgebremst, du kannst stattdessen nur noch zu Hause hocken. Du schwimmst im Selbstmitleid. So viel hilfreicher wäre es, dir klar zu machen, was ein Urlaub zu Hause bietet: Du kannst im eigenen Bett schlafen, brauchst dich nicht über lästige Mitreisende ärgern, bist nicht abhängig von Essenszeiten… Dir fällt bestimmt noch mehr ein.

Ein lockendes Beispiel

Als Kind hatte ich ein Buch mit dem Titel „Auf nach Bad Sonah“.  Die Eltern waren finanziell nicht in der Lage wegzufahren, ihren Kindern aber wollten sie dennoch ganz besondere Ferientage bieten. Also nahm die Mutter sie auf einen Spaziergang mit, während der Vater die Möbel in der Wohnung umstellte. Als die Mutter mit den Kindern wieder zurückkehrte, wurden sie vom Vater wie von einem Hoteldirektor begrüßt. Er führte sie durch die Räume, und erläuterte das Programm der kommenden Tage und verkündete den Speiseplan. Lass dich von der Geschichte einer Familie, die mit wenig Geld, aber viel Fantasie, einen wundervollen Urlaub verlebt, anregen, es ihnen gleichzutun.

Vorschläge für Ferienaktivitäten zu Hause

  • Bücher ausleihen und lesen
  • Stadtteile oder Regionen durchstreifen, in denen du noch nie warst
  • Fotografieren (vielleicht sogar thematisch – alles Rote, Haustüren, Schilder…) Hol dir Ideen
  • Ein Wellnesstag im eigenen Bad
  • Museen oder Galerien besuchen
  • Eine Radtour machen
  • Neue Rezepte ausprobieren (italienischer, französischer Abend…)
  • Schwimmen gehen
  • Einen Spieleabend organisieren
  • Draußen übernachten
  • Eine Nachtwandung machen
  • Die Natur beobachten und erforschen
  • Musizieren
  • Freunde einladen
  • Einen Hund aus dem Tierheim spazieren führen
  • Tierheim oder Zoo besuchen
  • Einen Bauernhof besuchen
  • Ein Picknick veranstalten
  • Die Festplatte oder das Smartphone ausmisten
  • Puzzeln
  • Eine Sportart ausprobieren und in den Alltag integrieren
  • Vögel beobachten
  • Eine Sprache lernen
  • Kleine Schönheitsreparaturen ausführen
  • Etwas Nähen
  • Basteln
  • Heimwerken
  • Meditieren lerne
  • Ins Kino gehen
  • Malen oder zeichnen
  • Filme streamen
  • Wünsche und Träume aufschreiben und Ideen dazu aufschreiben

Du hast noch mehr Ideen?

Dann schreib sie gerne in die Kommentare. So haben alle etwas davon. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine wunderschöne Urlaubszeit.

Freude ins Leben holen

Freude ins Leben holen

Freude ins Leben holenIn Telefonaten mit Freunden höre ich immer wieder, wie eintönig und freudlos ihr Leben durch Corona und den damit verbundenen Einschränkungen geworden ist. Ja, es stimmt, vieles was wir früher gerne gemacht haben, ist im Augenblick nicht möglich. Doch mit dem ausschließlichen Blick auf das, was wir streichen müssen, sinkt die Laune, dominiert der Frust. Stattdessen sollten wir uns auf die Möglichkeiten konzentrieren und mehr noch: Wir sollten Neues entdecken wollen und so wieder Freude in unser Leben holen.

Diese Fähigkeit hilft nicht nur während Corona, sondern grundsätzlich, wenn wir mit Katastrophen und Belastungen konfrontiert werden: Ob wir die Trennung von einem liebgewordenen Menschen verarbeiten müssen, ein Unfall unser Leben verändert, eine Kündigung uns aus dem Arbeitsleben katapultiert oder ein körperliches Gebrechen uns zeitweise oder gar für immer einschränkt.

Ändere die Perspektive

Der erste Schritt zu einem besseren Lebensgefühl ist der Perspektivenwechsel. Denn so lange wir nur nach dem schauen, was uns fehlt, fühlt es sich schwer an. Du gehst mit Krücken? Dann kannst du immer noch etwas mit den Händen tun. Du hast wenig Geld, um dich in der Stadt zu vergnügen? Dann schau dich um, was auch ohne oder mit wenig Geld möglich ist. Deine Wohnung eignet sich nicht, um Besuch zu empfangen? Dann lade zu einem Spaziergang ein.
Eins aber ist sicher: Du selbst bist am Zug. Freunde und Bekannte werden vielleicht noch eine Weile an deine Tür klopfen, doch sie werden weniger und weniger. Lass dich auch nicht davon abhalten, einen neuen Anlauf zu nehmen. Sonst zieht sich jeder in sein Schneckenhaus zurück.

Nutze die gute Stimmung

Wenn sich erst einmal die trübe Stimmung eingeschlichen hat, lässt sich schwer etwas dagegen unternehmen. Keine einzige Idee will sich einstellen, ein bedrückender Kreislauf beginnt. Lege dir deshalb eine Liste mit Dingen an, die du unternehmen kannst, so lange es dir gut geht, ob alleine oder mit anderen. Ergänze sie mit Ideen, was du Neues ausprobieren möchtest. Was lockt dich?

Was hindert dich?

Vermutlich kreisen Gedanken in deinem Kopf, die dich ausbremsen. Glaub mir, das sind Ausreden.

Mir fehlt die Zeit

Besonders Frauen leben den Glaubenssatz, dass sie sich eigene Zeit erst dann gönnen können, „wenn alles erledigt ist“. Dieser Zeitpunkt wird nie kommen. Um mit Schwung und Elan die täglichen Aufgaben zu bewältigen, braucht es Auszeiten. Ein Tasse Tee, die Beine hoch legen, einen Musiktitel genießen, ein Stück auf  dem Instrument spielen oder einfach aus dem Fenster schauen. Unterschätze nie die entspannende Wirkung dieser doch so kurzen Zeit. Wichtig ist allerdings, dass du diese Momente bewusst genießt. Wenn du es dir zur Gewohnheit machst, wirkt sich zusätzlich noch die Vorfreude darauf positiv aus.

Ich habe kein Geld

Zu diesem Thema habe ich einen Blogartikel geschrieben. Hier nur ein paar Auszüge:

  • In einem Park oder botanischen Garten spazieren gehen
  • Samen sammeln und in einem Topf aussäen
  • Blumen pressen und ein Herbarium anlegen
  • Schwimmen im See
  • Promenadenkonzerten lauschen
  • Geschichten und Gedichte schreiben
  • Kostenlose Ausstellungen besuchen
  • Ein neues Rezept ausprobieren

Es ist doch Corona

Während der Lockdowns waren auch bei uns etliche unserer regelmäßigen gemeinsamen Unternehmungen weggefallen: Das Singen im Chor, der Tanzclub, ins Kino oder zum Essen zu gehen. Zumindest aber unternahmen wir fast täglich viele große Spaziergänge und lernten so neue Winkel der Heimat kennen. Manches Mal auch mit einer Thermoskanne voll Kaffee, einem Kuchen und den beiden Anglerstühlen für eine Pause, für die wir sonst eingekehrt wären.

Mehr noch war möglich, denn wir haben das Internet. Der Wegfall etlicher verpflichtender Termine schenkte uns außerdem freie Zeit: Lustige Mädelsabende per Zoom, Vorlesen oder Mathe lernen mit den Enkeln per Skype, Weiterbildungen über das Internet oder eintauchen in neues oder schon vorhandenes Hobby. So habe ich jeden Tag gemalt und gezeichnet und Klavier geübt, mein Partner schrieb fast 200 Arrangements.

Mit den Lockerungen kam wieder eine Liste ins Spiel, denn die Einschränkungen hatten auch unsere aushäusige Aktivität ausgebremst. Es wurde Zeit, sie wieder zu beflügeln. Ich notierte: Was ist jetzt wieder möglich? Was würde ich gerne unternehmen? Was möchte ich sehen, was erleben? Mein Partner ergänzte seine Wünsche, die Liste wuchs und hängt nun sichtbar an der Pinnwand. Regelmäßig nehmen wir uns immer wieder einen Punkt vor.

Ich bin allein

Nach der Scheidung und einem Umzug waren besonders die Wochenenden schwer. Ich hatte mir noch keinen neuen Freundeskreis aufbauen können, da der Aufbau meiner Selbständigkeit alle Zeit beanspruchte. Dazu kam, dass die Kinder inzwischen in einem Alter waren, in dem sie nicht an mehr an gemeinsamen Unternehmungen interessiert waren, sondern sich lieber mit Freunden treffen wollten. Damit ich gar nicht erst in ein Loch fallen würde, schrieb ich auf:

  1. Was kann ich alleine unternehmen, was mir dennoch Spaß macht.

    Ich las aufmerksam die Zeitung oder die Veranstaltungsblätter und notierte alles, was mich interessieren könnte. Das sollte kein Pflichtprogramm sein, was ich abhaken wollte, sondern nur eine Aufzählung an Optionen: Ausstellungen, Kurse, Filme, Konzerte, Wanderungen in einer Gruppe… So würde ich immer etwas finden, wenn mir danach ist.

Damit mir es auch Spaß machte, alleine unterwegs zu sein, musste ich seltsame Gedanken über Singlefrauen loslassen und mich innerlich davon überzeugen, dass es viele Gründe für das Alleinsein gibt: Für die einen ist es die freie Entscheidung, so zu leben, bei anderen mag der Partner verstorben sein, vielleicht hat er auch Dienst oder schlicht und einfach keine Lust, mitzukommen.

  1. Welche Menschen kann ich anrufen und fragen, ob sie mich begleiten?

    Verbunden war diese Liste mit der klaren Entscheidung, dass ich nach drei Absagen nicht zu Hause bleibe, sondern trotzdem an meiner Idee festhalte und alleine losziehe.

Pick dir aus meinen Vorschlägen heraus, was dich anspricht und dann setze es um. Es liegt an dir, ob du Freude im Leben hast: davon, was du tust, und davon, wie du darüber denkst.

Leben ist Veränderung

Leben ist Veränderung

Leben ist Veränderung - freiwillig aufgeben keine OptionLeben ist Veränderung. Das gilt auch in der dritten Lebensphase. Wir sollten aber auch nicht freiwillig aufgeben, was unser Leben bisher bereichert hat. Es erneut zu aktivieren, ist mühsam und oft auch gar nicht mehr möglich.

Als meine Freundin Johanna 75 Jahre alt wurde stand ein Umzug an. Ihre Kinder hatten für sie eine zentral gelegene Wohnung gefunden, mit gutem Zuschnitt, einem Balkon und sogar mit Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel. Eigentlich hätte alles gut werden können.

Doch Johanna vergrub sich in ihre neue Wohnung. Sie sichtete monatelang alte Korrespondenzen, Fotos, Bücher und vergaß, die Kontakte zu Freundinnen aufrecht zu erhalten. „Das mache ich, wenn ich damit fertig bin.“ Mein Rat, doch wenigstens einmal die Woche mit ihnen zu telefonieren, schlug sie in den Wind.

Doch als es soweit war, hatte Johanna sich verändert. Sie traute sich nicht mehr allein in die Bahn zu steigen, um die paar Kilometer zu einer ihrer Freundinnen zu fahren. Sie zweifelte, ob diese noch mit ihr zu tun haben wollten. Ihr Alltag war in eine so enge Struktur geprägt, dass jede Änderung, jeder Termin sie total nervös machte und sie so lieber darauf verzichtete.

Mich machte diese Entwicklung sehr traurig. Ich hatte Johanna als eine aktive, dem Leben zugewandte und allem Neuen aufgeschlossene Frau kennengelernt. Sie war mein Vorbild gewesen. Uns trennten 17 Jahre, so wie sie wollte ich älter werden. Das war nun nicht mehr der Fall, doch habe ich aus ihrer Situation einiges gelernt.

Fähigkeiten brauchen Übung

Fahrrad fahren, so sagt man, verlernt man nicht. Die Grundfertigkeiten wohl nicht, aber die Geschicklichkeit und die Sicherheit im Verkehr wird abnehmen, wenn man nicht ständig in Übung bleibt. Auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wird schwinden. Noch mehr gilt das für die geistigen Fähigkeiten. Wenn wir diese brach liegen lassen, gerät vieles in Vergessenheit: „Wie ging das nochmal?“

Freundschaften wollen gepflegt werden

„Lass auf dem Weg zum deinem Freund kein Gras wachsen“, so lautet ein Sprichwort. Und Gras wächst, wenn wir den Weg nicht gehen. Der Faden zu Freunden wird dünner, je weniger Kontakt wir haben, bis er eines Tages ganz reißt. Das muss nicht bei allen Freundschaften zutreffen, manche halten auch, wenn man sich lange nicht sieht. Doch darauf verlassen sollte man sich nicht. In dieser umtriebigen Zeit, in der zusätzlich die räumliche Distanz persönliche Besuche vereitelt, bleibt doch die Möglichkeit, mit einem Anruf, einer Email oder einer elektronischen Nachricht kurz anzudocken: „Wie geht es dir? Was machst du? Ich denk an dich:“ Wir müssen nur den Spieß umdrehen und uns fragen, ob wir uns über solche kleine Zeichen nicht freuen würden. Denn regelmäßiger Kontakt stärkt die Verbundenheit.

Flexibilität und Spontaneität entstehen durch Wandel

Wer vieles auf die Reihe bringen muss, schafft auch viel. Das ist nicht nur meine eigene Erfahrung, das beobachte ich auch in meinem Umfeld. Im Gegensatz dazu die Menschen, deren Alltag im immer gleichen Muster abläuft: Sie vergessen auch den einen Termin in der Woche. Je weniger wir uns neuen Herausforderungen, neuen Rhythmen stellen, desto schwerfälliger werden wir. Es geht nicht darum, das ganze Leben immer wieder neu zu erfinden, doch in einigen Bereichen haben wir immer die Möglichkeit: Wir können neue Gerichte ausprobieren, andere Menschen treffen, uns mit unbekannten Themen auseinandersetzen oder etwas Neues lernen. Geben wir Dinge nicht freiwillig auf, um sie später wieder zu aktivieren. Das funktioniert nicht oder nur schwer. Wir sollten uns nicht einreden, dass wir im Alter eingeschränkt sind, sondern lieber den Gegenbeweis antreten, was auch in der dritten Lebensphase (noch) möglich ist. Damit tun wir uns selbst den größten Gefallen. Das Leben ist Veränderung, Veränderung heißt Lebendigkeit.

Geist und Körper wollen trainiert werden

Wussten Sie, dass der Körper ab dem 30. Lebensjahr bis zu ein Prozent Muskeln pro Jahr abbaut? Bis zum 80. Geburtstag reduziert sich die Muskelmasse um 40 Prozent. Muskeln halten unser Knochengerüst zusammen, sie helfen, die Balance zu halten, was wiederum Stürze verhindert. Auch wenn Sie längere Zeit keinen Sport gemacht und sich auch sonst im Alltag wenig bewegt haben, ist es nie zu spät, dieser  Entwicklung entgegenzuwirken. Ähnliches gilt für den Geist. Auch wer muss, soll er aufnahmefähig und aktiv bleiben, gefordert werden. Sudoku und Kreuzworträtsel reichen dafür nicht aus: Etwas Neues lernen, sich mit unbekannten Themen beschäftigen oder Lösungen für ein kniffliges Problem suchen, das ist der Weg.

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Foto: privat